Wir sind IHK!

Als selbstständiger Unternehmer im IT-Bereich bin ich Zwangsmitglied in der IHK Osnabrück-Emsland. Bei einer Infoveranstaltung hieß es "Die IHK, das seid Ihr! Wir sind dazu da, Eure Interessen zu vertreten!".

Und doch, ich kann mich mit dieser Kammer nicht identifizieren. Das fängt schon bei der A33 Nord an, die ja für unsere Wirtschaft so unglaublich wichtig ist. Warum eigentlich? Von der zukünftigen Anschlusstelle der A1 bis zum Kreuz Osnabrück-Süd sind es laut Google Maps Gerade mal 25km oder 14 Minuten Fahrzeit. Die zukünftige Direktverbindung ist auch nicht viel kürzer. Die A1 ist bis zum Lotter Kreuz bereits sechsspurig. Meiner Meinung nach macht einfach mehr Sinn, die A30 zwischen Lotter-Kreuz und Osnabrück-Süd ebenfalls auszubauen, anstatt eine komplett neue Straße durch's Nettetal zu jagen und einen Autobahngürtel um Osnabrück zu errichten. Dazu passt dann auch, dass die IHK in meinem Namen um jeden Preis die Einrichtung einer Umweltzone in Osnabrück verhindern will.

Ok, darum sollte es in diesem Beitrag eigentlich garnicht gehen. Statt dessen wollte ich über das Editorial vom Hauptgeschäftsführer Marco Graf im aktuellen IHK-Magazin Osnabrück-Emsland schreiben. Dort heißt es:

"[...] Mit breiter Mehrheit hat der Deutsche Bundestag jetzt zwei neue Mindestlohngesetze beschlossen. Stimmt in wenigen Tagen auch der Bundesrat zu, gelten die staatlichen Lohnvorgaben bald für mehr als drei Millionen Beschäftigte - unter anderem in den Pflegediensten, im Sicherheitsgewerbe und bald wohl auch in der Zeitarbeit [...]. Die Plädoyers für die Soziale Marktwirtschaft entpuppen sich jetzt als Sonntagsreden. Mit den nun beschlossenen Mindestlöhnen greift der Staat in die Lohnsetzung der privaten Wirtschaft ein. [...] Wer deshalb Mindestlöhne jetzt beschließt, stimmt gegen Wachstum und Beschäftigung! Arbeitsplätze werden gerade dort gefährdet, wo sie am Nötigsten sind, nämlich im Bereich der Geringqualifizierten. [...] Die Einführung eines Mindestlohnes von 7,50 EUR beträfe rund 45 Prozent der [befragten] Unternehmen. [...]"

So einen neoliberalen Unsinn kann man wirklich nur schreiben, wenn man noch nie von Hartz 4 leben musste. Oder noch nie mehrere Jobs gleichzeitig ausüben musste, weil der Lohn nicht zum Leben reichte. Geschweige denn für die Altersvorsorge. Und was meint er mit "wer deshalb Mindestlöhne jetzt beschließt"? Ja, wann denn sonst? Die Unternehmen haben viele Jahre Zeit gehabt, um zu zeigen, dass sie mit den Löhnen verantwortungsvoll umgehen können. Aber gerade in den letzten Jahren funktioniert dies nicht mehr. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander, hohe Unternehmensgewinne und Bonuszahlungen sind wichtiger als das Wohl der Beschäftigten. Aber wer für 5 EUR 40 Stunden die Woche arbeitet, der geht am Ende mit gerade mal 800 EUR nach Hause. Das ist nur wenig über dem Höchstsatz beim Bafög - mit dem Unterschied, dass Studenten viele Ermäßigungen erhalten, sich in der Regel noch nicht um die Altersvorsorge kümmern, keine Familie ernähren müssen und eine gewisse Aussicht auf eine bessere Zeit haben. Ganz abgesehen davon, dass man mit so wenig Geld sehr sparsam umgehen muss. Hallo Herr Graf, Konsumflaute, schonmal gehört? Wo die wohl herkommt, bei einer derzeit angeblich ständig sinkenen Zahl von Arbeitslosen...

Wer sein Unternehmenskonzept auf die Ausbeutung der Arbeitnehmer ausgerichtet hat, der soll daran Pleite gehen. Punkt. Für alle anderen dürfte die Gefahr relativ gering sein. Security-Leute und Pflegekräfte ("Geringqualifizierte"??!?!?) werden weiterhin gebraucht, und da der Mindestlohn für alle gilt, entsteht auch kein Wettbewerbsnachteil.

Ich mag IHK sein, aber ich steh nicht hinter ihr. Und daran ändern auch die Pseudowahlen nichts, mit denen die Mitglieder (also auch wir) den Vorstand bestimmen können. Denn bei der vergangenen Wahl standen zwar viele Personen zur Auswahl und wurden auch vorgestellt. Aber leider nur in Bezug auf Name, Alter und Betrieb. Von Standpunkten ("Pro- oder Contra A33, Neoliberalismus, etc") war nie die Rede. Ich habe bei den Kandidaten für unseren Bereich sogar nachgefragt, aber alles, was ich erhielt, war ein inhaltsloser Werbeflyer mit den Gesichtern und knappen Lebensläufen drauf. Da sind die sämtliche Flyer im StuPa-Wahlkampf aussagekräftiger gewesen. Ich habe nicht gewählt, es wäre eine Farce gewesen.