Eine Ära geht zu Ende Teil 2 (oder Jabber 1:0 ICQ)

Seit ich Ende der 90er Jahre das erste mal "Online" gewesen bin, war ICQ mein ständiger Begleiter. Ich weiß nicht mehr, wann genau ich meine jetzige ICQ-Nummer registriert habe, aber ich konnte die Spuren bis ins Jahr 2000 zurückverfolgen. Andere Instant-Messaging-Dienste wie AIM oder MSN waren für mich immer tabu, und selbst als ich mich bei meinem Wechsel auf Linux als Betriebssystem mit Multi-Protokoll-Clients auseinander setzen musste, bin ich Mirabilis treu geblieben. Sogar den Verkauf an AOL habe ich akzeptiert.

Das einzige Protokoll, mit dem ich hin und wieder geliebäugelt habe, ist das freie Jabber, aber mangels Jabber-Kontakten war es mir den Aufwand nie Wert. Mit wem sollte ich schon über Jabber chatten...?

Bis heute. Denn mit dieser Aktion (also die Aussperrung von vielen alternativen ICQ-Programmen) hat es AOL echt übertrieben. Die Verwendung anderer Clients war zwar schon immer verboten, immerhin gehen damit potentielle Werbeeinnahmen verloren. Doch zeigen solche Aktionen, welche Macht ein zentralisierter und proprietärer Dienst hat. Angenommen, wir würden ICQ für die Firmenkommunikation nutzen, worüber wir tatsächlich schon nachgedacht haben. Dann wären wir gestern ohne eigenes verschulden einen Tag lang nicht erreichbar gewesen.

Deshalb habe ich mir heute einen Jabber-Account eingerichtet. Für die, die sich damit nicht auskennen: Jabber ist, ähnlich wie E-Mail, ein dezentrales Protokoll. Das heißt, es gibt weder das Jabber-Programm, noch die Jabber-Website, auf der man sich anmelden kann. Statt dessen sucht man sich erstmal einen Serveranbieter aus, so wie man sich zum Beispiel auch bei der Einrichtung einer E-Mailadresse zwischen GMX, Web.de, GoogleMail usw. entscheidet. Dies kann zum Beispiel jabber.org oder der Chaos Computer Club sein, aber auch kommerzielle Dienstleister wie United Internet (GMX, Web.de, etc) bieten diesen Dienst an. Meistens wird es dann einfach XMPP-Protokoll genannt, nach dem Namen des standardisierten Teil des Jabber-Protokolls. Alternativ kann man sich natürlich auch einen eigenen Server einrichten, wenn man über die entsprechende Hardware und Internetanbindung verfügt (Wink mit dem Zaunpfahl ans Rechenzentrum der Uni :-)). Ich hab mich für den Jabber-Dienst des CCC entschieden.

Als nächstes sucht man sich einen Client für sein Betriebssystem aus (gerne auch einen Client, der mehrere Dienste beherscht), installiert ihn, und meldet sich darüber bei dem gewählten Serverdienst an. Viele Programme schlagen auch gleich eine umfangreiche Liste von in Frage kommenden Diensten vor, so dass man den ersten Schritt eventuell optional ist. Bei Pidgin sieht das ganze dann so aus, wenn man unter "Protokoll" den Eintrag "XMPP" ausgewählt hat:

pidgin_xmpp.png

Nun noch die Daumen drücken, dass der gewählte Spitzname auf dem Server verfügbar ist und anmelden. Falls der Name schon durch jemand anderen genutzt wird, muss man entweder einen anderen Server oder einen anderen Namen auswählen.

Fertig. Der Rest ist im großen und ganzen genauso, wie man es von ICQ kennt. Nur, dass es einige weitere Features wie verschlüsselte Verbindungen gibt, und dass der Ausfall eines zentralen Serverdienstes nicht das ganze Netzwerk lahmlegen kann (egal ob Absicht oder Versehen).

Comments

Ich hab' ja jetzt auch endlich meinen ersten Jabber-Kontakt ;) Wirklich sehr nett, funktioniert alles wie gewünscht, im Gegensatz zu ICQ ;)

Glückwunsch. Eine gute Entscheidung :-)
Bin selbst seit gut 2 Jahren ICQ-frei. Irgendwann wacht man morgens auf und denkt sich: zur Hölle mit dem ICQ-Account. Allerdings hatte ich da auch schon ein paar Jahre Jabber parallel zu ICQ genutzt.
Die wichtigsten Kontakte haben ebenfalls zu Jabber gewechselt bzw. sich zumindest einen Jabber-Account zugelegt und die anderen... naja... kA. Vielleicht haben die mich schon von ihrer Liste gestrichen.

Im übrigen wäre ich schwerstens dafür, dass das RZ mal ein paar Gedanken zum Thema Jabber-Server macht :-)

Munter bleiben.